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Projektumsetzung von "Bildung bleibt" gelingt trotz Pandemiejahr

Aktion Sodis Blog   ᛫

16. Dezember 2021

Lara Eisenbarth

Team Ernährungssicherheit

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7 Min Lesezeit

„… Es war das erste Mal für die Männer sowie die Frauen des Dorfes, dass sie über das Thema der Geschlechtergerechtigkeit gesprochen haben. Ich hatte den Eindruck, dass das Thema zunächst schockierend auf sie gewirkt hat, wodurch sie erst sehr ablehnend reagiert haben. Daher war es uns wichtig, dass wir bei ihnen ein erstes Bewusstsein für dieses Thema schaffen können.“
– Vania, Schülerin der Berufsschule Sayarinapaj in Cochabamba, Bolivien

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Für gewöhnlich läuft ein „Bildung bleibt“ Projekt so ab, dass ein:e Freiwillige:r von Aktion Sodis aus Deutschland nach Bolivien reist. Vor Ort wird an einer Berufsschule ein achtwöchiger Projektkurs mit den Berufsschüler:innen durchgeführt, welcher gemeinsam mit dem Lehrenden und dem:r Freiwilligen vorbereitet wird. In diesem Kurs soll mit Hilfe einer Bedarfsanalyse ein Konzept entwickelt werden, welches in der Region Micani eingesetzt werden kann. Das ländlich geprägte Micani befindet sich in Norte de Potosí und gehört zu den ärmsten Gegenden im Andenstaat Bolivien. Nach der theoretischen Ausarbeitung eines bedarfsangepassten Projekts findet dessen Implementierung statt: Normalerweise reisen dabei die Berufsschüler:innen mit ihrer Lehrkraft und dem:r Freiwilligen in einige Dörfer der Region, um vor Ort ihr entwickeltes Konzept umsetzen zu können. Im Jahr 2018 hat beispielsweise der Berufszweig der Landwirt:innen das Konzept eines Schulgartens entwickelt und diesen dann in verschiedenen Dorfschulen angelegt, um der Problematik der Mangelernährung von Kindern zu entgegnen. Die Idee des Projektes „Bildung bleibt“ ist also, dass sowohl Berufsschüler:innen an praktischer Erfahrung in ihrem Berufsfeld gewinnen, als auch die Menschen in Micani davon profitieren können. „Bildung bleibt“ besteht in dieser Form seit 2015 und ist somit das älteste Aktion Sodis Projekt.


Im vergangenen Jahr konnte „Bildung bleibt“ aufgrund der Pandemie nicht stattfinden und auch in diesem Jahr mussten wir lange an einer möglichen Umsetzung zweifeln, bis sich schließlich eine Lösung fand. Ein langjähriger Partner des Projektes ist das Instituto Tecnológico Sayarinapaj (ITS), eine Berufsschule am Rande von Cochabamba. Da sowohl das ITS als auch unser Team von „Bildung bleibt“ den Wunsch hatten, den Schüler:innen - auch in Pandemiezeiten - die Chance auf Zusatzqualifikationen zu bieten, wurden alle Hebel in Bewegung gesetzt! Statt einer gewohnten Ausreise hat unser Team von „Bildung bleibt“ gemeinsam mit den Lehrkräften den theoretischen Teil des Kurses digital umgesetzt. Dieser Teil fand im Mai und Juni dieses Jahres statt und wurde nicht nur von einem:r Freiwilligen:er von Aktion Sodis unterstützt, sondern vom gesamten sechsköpfige Team. Dadurch konnten wir gleich beide Berufszweige, die sich für das Projekt beworben hatten, betreuen: Gastronomie und Soziale Arbeit.

[In diesem Artikel liegt die Konzentration auf der Implementierung des Projektes der Sozialen Arbeit.]

Was zu Beginn des Kurses (pandemiebedingt) kaum vorstellbar war, konnte im Oktober 2021 doch wahr werden: So ging es für die Klasse der Sozialen Arbeit in diesem Jahr in die Region Micani. Gemeinsam mit ihrer Lehrerin Brisilia Matias Camacho verbrachten sie dort vier Tage, um ihre zuvor erarbeitete Projektidee umzusetzen. Unterstützung in der Planung sowie der Umsetzung vor Ort erhielten sie dabei von unserer Partnerorganisation Fundación Sodis, die vor Ort in Bolivien sitzt. Um möglichst viele Gemeinden mit ihren Aktivitäten zu erreichen, teilten sich die Schülerinnen an jeweils zwei Tagen auf die Gemeinden Ulupiquiri, Ipote, Luquipampa, Ala Cruz sowie Micani auf. In den Workshops wurde vor allem das Thema der Geschlechtergerechtigkeit behandelt. Je nach Situation vor Ort stellten entweder Grundschüler:innen, Lehrkräfte, Eltern oder auch ganze Familien die Teilnehmenden des Kurses dar, sodass die Workshops jeweils an die Zielgruppen angepasst wurden. Liliana, eine der begleitenden Mitarbeiterinnen der Fundación Sodis, erzählte uns, dass die Workshops trotz (teilweiser) anfänglicher Skepsis sehr positiv aufgenommen wurden. Durch die Aufarbeitung der Schülerinnen sei ein gutes Verständnis der Thematik vermittelt und somit eine große Wirkung erzielt worden. So wurde unter anderem das Interesse einiger Eltern geweckt, die direkt nach weiteren Workshops fragten. Sie könnten dadurch viel dazulernen und so auch die Geschlechterrollen innerhalb ihrer Partnerschaft besser reflektieren, sagten sie im Gespräch.

Was es nach der Reise zu berichten gab


Die pandemische Lage machte es uns Freiwilligen von Aktion Sodis unmöglich, den Kurs und die Umsetzung des Projektes persönlich vor Ort zu begleiten. Umso gespannter waren wir darauf, von der Projektrealisierung, den Erfahrungen und Erlebnissen der Schülerinnen auf ihrer Reise zu hören.

Winny (23) erzählte uns im Gespräch, dass die Reise in die Region Micanis ihre erste praktische Erfahrung innerhalb ihrer Ausbildung war. Die gehaltenen Workshops hätten ihr nicht nur geholfen, wichtige praktische Erfahrungen zu sammeln, sondern auch das Leben vor Ort und die damit verbundenen Bedürfnisse in dieser abgelegenen Region Boliviens kennen zu lernen. Vania (35) kommt aus einem Dorf, in dem ihrer Meinung nach Machismo [= Gefühl bzw. Einstellung des Mannes von starker Überlegenheit] ein großes Problem ist. Dies habe sie zur Ausbildung als Sozialarbeiterin motiviert, denn sie möchte mehr über Geschlechtergerechtigkeit lernen und weitergeben können. Auch sie beschrieb die Durchführung des Projektes in Micani als prägende Erfahrung. Clara (41) erzählte uns, dass sie sich, durch ihre eigenen Erfahrungen innerhalb ihrer Kindheit und Jugend gut mit der bolivianischen Landbevölkerung und ihren Bedürfnissen identifizieren kann. Die Reise bestärke sie in ihrem Vorhaben als angehende Sozialarbeiterin, die verschiedensten Menschen vor Ort in ihrem jeweiligen Alltag zu unterstützen.

Um den Kindern das Thema der Geschlechtergerechtigkeit in den Workshops näher zu bringen, überlegten sich die Schülerinnen verschiedene Spiele. Winny erzählte uns von einem Spiel, in dem die Jungen den Mädchen einen roten Ball zuwarfen und dabei sagten, wobei sie Frauen und Mädchen im Alltag helfen könnten, wie beispielsweise beim Wäsche waschen. Andersrum warfen die Mädchen den Jungen einen blauen Ball zu und sagten beispielsweise, dass sie bei der Ernte helfen könnten. Die Kinder nahmen das Spiel sehr gut auf und hatten viel Spaß dabei, meinte Winny. Zudem freute es Clara bei weiteren Aktivitäten zu sehen, dass die Kinder sich geschlechterrelativierend verhielten, ohne den Begriff der Geschlechtergerechtigkeit zu kennen. Dennoch sei es wichtig, sich von Kindheit an mit dem Thema der Geschlechtergerechtigkeit auseinanderzusetzen, um die Erziehung zu konventionellen Geschlechterrollen hinterfragen zu können.

„Als wir in das Dorf kamen, waren nur Männer dort. Wir baten sie darum, die Frauen dazu zu holen. Einige Männer entgegneten uns jedoch, dass sie nicht verstehen könnten, warum es wichtig ist, dass auch Frauen an einem Workshop teilnehmen. Sie sollten im Haus bleiben und sich um den Haushalt kümmern, während sie zur Arbeit gingen. Wir überzeugten sie schließlich gemeinsam mit unserer Lehrerin Brisilia, dass es ebenso wichtig für Frauen ist, ihr Wissen zu erweitern und an dem Workshop teilnehmen zu können. Es war das erste Mal für die Männer sowie die Frauen des Dorfes, dass sie über das Thema der Geschlechtergerechtigkeit gesprochen haben. Ich hatte den Eindruck, dass das Thema zunächst schockierend auf sie gewirkt hat, wodurch sie erst sehr ablehnend reagiert haben. Daher war es uns wichtig, dass wir bei ihnen ein erstes Bewusstsein für dieses Thema schaffen können.“

Mit den Erwachsenen hingegen wurde sich dem Thema durch Gespräche und Diskussionen genähert. Die Reaktionen fielen dabei sehr unterschiedlich aus. Einige reagierten mit Wissbegierde, andere mit Abwehr. Vania beschrieb eine herausfordernde Situation, die ihr in Erinnerung geblieben ist:

„Als wir in das Dorf kamen, waren nur Männer dort. Wir baten sie darum, die Frauen dazu zu holen. Einige Männer entgegneten uns jedoch, dass sie nicht verstehen könnten, warum es wichtig ist, dass auch Frauen an einem Workshop teilnehmen. Sie sollten im Haus bleiben und sich um den Haushalt kümmern, während sie zur Arbeit gingen. Wir überzeugten sie schließlich gemeinsam mit unserer Lehrerin Brisilia, dass es ebenso wichtig für Frauen ist, ihr Wissen zu erweitern und an dem Workshop teilnehmen zu können. Es war das erste Mal für die Männer sowie die Frauen des Dorfes, dass sie über das Thema der Geschlechtergerechtigkeit gesprochen haben. Ich hatte den Eindruck, dass das Thema zunächst schockierend auf sie gewirkt hat, wodurch sie erst sehr ablehnend reagiert haben. Daher war es uns wichtig, dass wir bei ihnen ein erstes Bewusstsein für dieses Thema schaffen können.“

In anderen Dörfern erlebten die Schülerinnen ähnliche Situationen. Winny erzählte uns, dass sie sich daher dem Thema in kleinen Schritten genähert hatten, denn sie wollten niemandem die Ideen der Geschlechtergerechtigkeit aufdrängen. Zudem war es den Schülerinnen wichtig zu vermitteln, dass Geschlechtergerechtigkeit auch bedeutet, dass Männer und Frauen sich gegenseitig in ihrem Alltag unterstützen und das nicht zwangsläufig die Frauen für den Haushalt verantwortlich sind.

Was aus dem Projekt mitgenommen wurde

Brisilia, die Lehrerin der Sozialen Arbeit, berichtete, dass nicht nur die Menschen vor Ort, sondern auch die Schülerinnen selbst viel bei der Planung und Durchführung der Workshops gelernt haben. Dazu zähle, auf ungewohnte Situationen spontan zu reagieren und vielversprechende Kompromisse zu finden. Zudem sind die Schülerinnen im zweiten von drei Ausbildungsjahren und somit ein Jahrgang der Pandemie. Durch die Implementierung konnten die Schülerinnen sich untereinander persönlich kennenlernen und als Team zusammenarbeiten. Auch ihr half das gegenseitige Kennenlernen, insbesondere, um auf die Stärken sowie Schwächen ihrer Schülerinnen vermehrt eingehen zu können.
Die Schülerinnen der Sozialen Arbeit meldeten zurück, den Kurs auch anderen Schüler:innen weiter empfehlen zu wollen. Es sei wichtig dieses Projekt durchgeführt und das Leben der Menschen in Micani kennengelernt zu haben, um Handlungsbedarfe erkennen zu können. Außerdem habe der Kurs ihnen sehr viel Freude bereitet. Das läge zu einem großen Teil auch an der positiven Rückmeldung der Kinder und vieler Erwachsener. Vania, Winny und Clara schilderten uns, dass sie das Lachen der Kinder während der spielerischen Workshops noch lange in Gedanken bei sich tragen. Gerne würden sie nochmal nach Micani zurückkehren, um in weiteren Workshops ihr Wissen und ihre in der Ausbildung gewonnenen Fertigkeiten weitergeben zu können.

Danke, dass du die andinen Gemeinden unterstützt ihre Ernährungssituation resilienter und besser zu gestalten!

50 Bäume für eine Aufforstungsfläche

50

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333

Zaunpfähle für eine Agroforstfläche

133

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Unser Team von „Bildung bleibt“ freut es sehr zu sehen, mit welcher Motivation die Schülerinnen aus dem diesjährigen Projektdurchlauf herausgegangen sind. Es ist toll zu hören, wie gut sie mit Herausforderungen, wie beispielsweise der anfänglichen Skepsis einiger Erwachsener oder der Quechua-Spanisch-Sprachbarriere, umgegangen sind und diese gemeistert haben. Während unseres Gesprächs waren sie voll persönlicher Inspiration und Tatendrang für ihr weiteres Berufsleben. Somit erfüllte sich die Hoffnung des Schulleiters Victor Hugo Rojas, die er zu Jahresbeginn äußerte, dass dieses besondere Projekt seinen Schüler:innen in diesen schweren Zeiten eine Perspektive eröffnen und neuen Elan schenken würde. Für die Zukunft wünschen wir den Schülerinnen der Sozialen Arbeit und ihrer Lehrerin Brisilia alles Gute und bedanken uns ganz herzlich für diese schöne Zusammenarbeit!

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